Mittwoch, 20. Februar 2013

Atomindustrie haftet nicht für Opfer

Was unterscheidet die Atomindustrie von anderen Industrien? Sie wird im Falle eines Unfalls nicht vollständig zur Verantwortung gezogen. Deutlich zeigt das die Atomkatastrophe von Fukushima: Einige Menschen haben durch den Unfall alles verloren. Im besten Falle erhalten sie geringe Kompensationszahlungen, die größtenteils steuerfinanziert sind.

Das Haftungsrecht der Atomindustrie ist ungerecht, das zeigt eine GreenpeaceStudie, die die Situation in Fukushima analysiert. Durch das geltende Haftungsrecht sind die Hersteller der Reaktoren in Fukushima (siehe Bild), darunter General Electric (GE), Toshiba und Hitachi bislang von jeglicher Verantwortung für die Katastrophe am 11. März 2011 ausgenommen. Und das, obwohl es Hinweise gibt, dass die Reaktoren fehlerhaft waren und die Katastrophe dadurch verschlimmert wurde.

Allein der Betreiber von Fukushima, Tepco, kann haftbar gemacht werden. Die Realität in Japan zeigt allerdings, dass das Schadensausmaß einer Nuklearkatastrophe die finanziellen Möglichkeiten eines Konzerns schnell übersteigt. "Wir fordern, dass die Atomindustrie für ihre Katastrophen voll haftbar gemacht wird - sowohl die Kraftwerksbetreiber als auch die Hersteller und Zulieferer", sagt Tobias Riedl, Atomexperte von Greenpeace. "Es darf keine Obergrenzen für Schäden geben und keine Verjährung. Und die Atomindustrie muss ausreichende Rücklagen bilden."

Das bisherige Schadensausmaß mit geschätzten 185 Milliarden Euro hätte zum Bankrott von Tepco geführt. Das Unternehmen wurde deshalb verstaatlicht. Da die Schadensbehebung sich noch über Jahrzehnte hinziehen kann, wird der japanische Steuerzahler vermutlich auch in Zukunft die Schäden bezahlen müssen. Nach dem internationalen Haftungsrecht müssen die Betreiber von Atomkraftwerken maximal 350 Millionen bis 1,5 Milliarden Euro für Atomkatastrophen zahlen. Die Zulieferer zahlen gar nicht. Dieses Haftungsrecht ist einzigartig: die Ölindustrie etwa haftet voll für ihre Katastrophen.

Dabei hat die Reaktorkatastrophe in Fukushima eindrücklich vor Augen geführt, welche Risiken die Atomkraft birgt. 160 000 Menschen mussten evakuiert werden, zehntausende sind freiwillig geflüchtet. Niemand von ihnen ist bis heute vollständig für seinen Verlust von Haus und Besitz entschädigt worden. Diejenigen, denen Zahlungen gewährt werden, können damit kaum das tägliche Überleben bestreiten. Tobias Riedl sieht unbedingten Handlungsbedarf: "Was sich in Japan abspielt, kann sich überall auf der Welt wiederholen. Die Menschen tragen das finanzielle wie gesundheitliche Risiko einer atomaren Katastrophe, während die Atomindustrie den Profit einsackt. Dieses System muss dringend geändert werden."

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